Mein Lohberg - Lohberger(innen) über ihren Stadtteil

Hier dokumentieren wir einige Texte, die um 1989 herum entstanden sind, bevor Lohberg in das Förderprogramm für Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf aufgenommen wurde. Sie sind auch über den damaligen Kontext hinaus nach wie vor lesenswert.

Sabine Keim, Pastorin

Ein Text von Sabine Keim - veröffentlicht in der ev. Kirchenzeitung “Der Weg” vom 26.12.1999

 

Der Dinslakener Stadtteil, eine alte Bergarbeitersiedlung, hat eine Menge Probleme, vor allem durch eine hohe Arbeitslosigkeit. Er gilt als "sozialer Brennpunkt" Pastorin Sabine Keim berichtet, warum sie trotzdem gerne hier lebt und arbeitet.

 

Das Kleinod braucht ein besseres Image

 

DINSLAKEN - LOHBERG - Als vor 80 Jahren die Schachtanlage Lohberg ihre Arbeit aufnahm, wurde dort gleichzeitig eine Bergarbeiterkolonie gebaut. So entstand Lohberg, heute ein Stadtteil der Stadt Dinslaken.

 

Damals lag Lohberg außerhalb der Ortschaften Dinslaken und Hiesfeld. Inzwischen sind die einzelnen Stadtteile näher zusammengewachsen. Die alte Bergarbeitersiedlung Lohberg - erweitert um neuere Wohnblocks aus den 60er Jahren - ist jedoch ein besonderer Stadtteil geblieben.

 

Die Statistik der Stadt weist für die entsprechenden Bezirke 6935 Einwohner aus, davon 3529 mit deutscher und 3406 mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Dies bedeutet einen Ausländeranteil von 49 Prozent gegenüber 10 Prozent in der Gesamtstadt.

 

Die meisten Ausländer sind Türken. Als “Gastarbeiter" waren sie hierher gekommen und sind geblieben, inzwischen in der zweiten und dritten Generation. In Lohberg gibt es deshalb zwei Moscheen und viele türkische Geschäfte. An den Schulen und Kindergärten ist der Anteil ausländischer Kinder besonders hoch: Nicht nur weil es mehr ausländische als deutsche Kinder gibt, sondern auch weil viele deutsche Eltern ihre Kinder nicht in Einrichtungen mit hohem Ausländeranteil schicken wollen.

 

Öffentliche Einrichtungen sind in Lohberg auf dem Rückzug: Vor einigen Jahren wurde die Poststelle geschlossen. Es gibt zwar noch Briefkästen, aber eine Briefmarke kann man hier nicht mehr kaufen.

 

Ein einziges Kreditinstitut unterhält eine Filiale in Lohberg. Diese ist jedoch anders als die meisten Filialen des Unternehmens nicht mit einem Tag und Nacht zugänglichen Servicebereich und nicht einmal mit einem Geldautomaten ausgestattet.

 

Lohberg hat - auch bedingt, durch den hohen Anteil an Sozialhilfeempfängern und Arbeitslosen und durch andere soziale Probleme - einen schlechten Ruf. Doch den hatte Lohberg von Anfang an. Der Arbeiterstadtteil galt in den 20er Jahren als kommunistische Hochburg, heute als sozialer Brennpunkt.

 

Dennoch: Ich lebe und arbeite im schönsten Stadtteil Dinslakens! Schließlich ist die alte Bergarbeitersiedlung Lohberg ein städtebauliches Kleinod. Da gibt es zum Beispiel die unterschiedlichen Hausformen der kleinen Zechenhäuser, die großen grünen Innenhöfe und die relativ schmalen, inzwischen verkehrsberuhigten Straßen. Außerdem: Man kennt sich in Lohberg, es existieren gute Nachbarschaften, und der Wochenmarkt zieht viele Menschen an.

 

Lohberger wollen die Probleme anpacken

 

Anfang des Jahres geriet Lohberg in die Schlagzeilen der örtlichen Presse. Hatten doch in der Silvesternacht einige Jugendliche auf dem Marktplatz Schaufenster zerstört und die herbeigerufene Polizei provoziert.

 

Außerdem wurde eine Untersuchung der Stadt vorgestellt, in der viele einzelne Probleme des Stadtteils zusammengestellt sind. Ein neues Interesse an Lohberg ist erwacht. Eine Förderung durch das Land als "Stadtteil mit besonderem Erneuerungsbedarf” soll beantragt werden. Damit die Lohberger selbst von Anfang an in die Planungen miteinbezogen werden, ist auf Initiative der evangelischen und katholischen Kirchengemeinde Lohbergs und des Ausländerbeirates der Stadt eine Bewegung von unten in Gang gekommen.

 

Zweimal haben sich Vertreter aller Lohberger Einrichtungen und Vereine getroffen, haben Probleme besprochen, Ideen gesammelt und schließlich dem Bürgermeister das Ergebnis der Beratungen mitgeteilt.

 

Vor allem die Ausweitung der Sprachförderung in den Kindergärten und Schulen und die Einrichtung eines Begegnungszentrums mit Beratungsangeboten und einem Cafe für alle Lohberger haben sich als Anliegen herausgestellt.

 

Inzwischen gibt es konkrete Pläne für Veranstaltungen. So soll nun zum Beispiel in der Silvesternacht eine offizielle Feier auf dem Marktplatz stattfinden. Auch ein Stadtteilfest soll es im Jahr 2000 - wie schon 1989 und 1994 - geben. Ende Mai soll mehrere Tage lang gefeiert werden.

 

Wichtig ist vor allem, dass das Image des Stadtteils Lohberg nach außen besser wird. Außerdem soll die Gemeinschaft der verschiedenen Lohberger untereinander gestärkt werden. Gute Beziehungen unter den Menschen in Lohberg gibt es schon. Besonders zwischen Christen und Muslimen. So sind gegenseitige Besuche und Grüße zu den großen Festen selbstverständlich. Regelmäßig wird zusammen gefeiert, und die Frauen treffen sich zum deutsch-türkischen Frauentreff.

 

Dadurch sind auch menschliche Beziehungen entstanden, die über das Kennenlernen bei der Arbeit oder in der Schule hinausgehen. jetzt ist ein weiterführender Prozess in Gang gekommen, der alle Lohberger einbeziehen will und hoffentlich Erfolg haben wird.

Wolfgang Seiffert

Wolfgang Seiffert schreibt über sein Lohberg: “EIn Ort, an dem man gerne lebt”

 

Heute erzählt Wolfgang Seiffert, (damals) Betriebsratsmitglied des Bergwerks Lohberg/Osterfeld, warum er so gern dort lebt.

 

DINSLAKEN-LOHBERG. Ich bin 45 Jahre alt. Geboren wurde ich zwar nicht in Lohberg, sondern in Hünxe-Bruckhausen, aber ich habe den größten Teil meiner Jugend in diesem Stadtteil von Dinslaken verbracht. Groß geworden bin ich im Bereich der Kohlen-, Koks- und Grabenstraße. Meine Freizeit habe ich, wie viele meiner Bekannten auch, natürlich in einem der beiden Lohberger Jugendheime verbracht. Andere Möglichkeiten der Freizeitgestaltung wurden zu der damaligen Zeit für Jugendliche in Lohberg auch kaum angeboten.

 

An dieser Situation hat sich bisher, außer dem Bau der Freizeitanlage an der Dorotheenstraße, wenig geändert. Nach einem kurzen Abstecher in eine andere Dinslakener Wohngegend bin ich im Jahre 1980 mit meiner Frau, ebenfalls Lohbergerin und meiner Tochter wieder nach Lohberg zurück gezogen. Unsere Tochter hat ihre Grundschulzeit in der Marienschule absolviert: es gab für uns keinen Grund, sie an irgendeiner anderen Schule anzumelden, wie es heute leider schon gang und gäbe ist. Ich bin überzeugt davon, dass die Pädagogen an den Lohberger Schulen mindestens ebenso qualifiziert und engagiert sind, wie an den Schulen in den anderen Stadtteilen auch.

 

Kurios sind in diesem Zusammenhang dann auch Fragen, wenn eine weiterführende Schule besucht werden soll. "Aus Lohberg kommst Du?" Wir sind doch keine Analphabeten! Vielleicht sollte man sich an anderer Stelle einmal Gedanken über die Einrichtung einer weiterführenden Schule in unserem Ortsteil machen. Den Lohbergem kann niemand einen Vorwurf machen, dass unser Stadtteil mit einem Negativ-Image belastet ist. Die Fehler sind meiner Meinung nach in einer verfehlten Stadtpolitik zu suchen.

 

Aber, wie heißt es so schön? Neue Besen kehren gut! Geben wir unseren Stadtmüttern und vätern eine Chance, aus  den vergangenen Fehlern zu lernen und einiges besser zu machen.

 

Als große Hilfe sehe ich hier auch die Anerkennung Lohbergs als Stadtteil mit besonderem Erneuerungsbedarf durch das Land NRW. Das Zusammenleben mit Menschen anderer Nationalität und Kultur ist für uns Lohberger kein Neuland, sondern tägliche "Routine". Wie man mit ausländischen Mitbürgern zusammenlebt, weiß ich aus eigener Erfahrung an meinen Arbeitsplatz auf dein Berwerk Lohberg / Osterfeld, dem größten Arbeitgeber in Dinslaken, der seinen Standort in unserem Ortsteil hat und das hoffentlich noch recht lange! Hier geht es auch nur miteinander und nicht gegeneinander!

 

Ein guter Schritt in Richtung Integration waren die Stadtteilfeste in den vergangenen Jahren und auch die Silvesterfete 1999 / 2000 auf dem Lohberg Marktplatz.

 

Stichwort Lohberger Markt: Mittwochs und samstags; ist der Marktplatz nicht nur Einkaufsplatz für Lebensmittel aller Art aus aller Herren Länder, sondern auch wichtiges Kommunikationszentrum für den kleinen Quatsch mit dem Nachbarn, dem Bekannten oder dem Arbeitskollegen. Verkehrschaos ist dann programmiert, weil sehr viele Auswärtige nach Lohberg kommen. Warum aber nur am Mittwoch und Samstag?

 

Schade ist, dass es in Lohberg relativ wenig Einzelhandelsgeschäfte, zum Beispiel für Bekleidung, Schuhe gibt, obwohl es entlang der Hünxer Straße doch eine Art Einkaufsstraße gibt. Vielleicht kann man von Seiten der Stadt Anreize für die Ansiedlung schaffen?

 

Die Meinung, dass Lohberg schmutzig ist, kann ich nicht teilen. Große Anstrengungen wurden und werden von Seiten der Wohnungsverwaltungen, und des Landes unternommen, um Lohberg wieder hell und freundlich zu gestalten. Hier muss weiter investiert werden. Viele Grünflächen und kleine Gärten, die von den Anwohnern teilweise in Eigeninitiative gehegt und gepflegt werden zeugen davon, dass es den Lohbergern nicht egal ist, wo und wie sie wohnen. Genauso verhält es sich mit der Aussage, dass man nur mit verschlossenen Türen und so schnell wie möglich mit dem Pkw durch Lohberg fahren sollte und bloß nicht zu Fuß hindurch gehen soll. In Lohberg gibt es nicht mehr oder weniger Kriminalität wie in anderen Stadtteilen auch. Ich gehe auch heute noch im Dunkeln durch Lohberg, ohne dass ich Angst habe. Bis heute haben wir es nicht bereut, nach Lohberg zurückgekommen zu sein. Wir wohnen und leben gern hier! Aber das kann man wahrscheinlich nur verstehen, wenn man “alter Lohberger" ist.

Markus Gehling

Markus Gehling, (damals) Pastoralreferent in St. Marien über Lohberg - von gestern für heute!

 

Lohberg - aus der Geschichte für heute lernen?

 

„türkisches“ Lohberg?

 

Pfarrer Nienhaus zählt im Jahre 1939 in der Pfarrchronik auf, woher seine „Schäfchen“ eigentlich kommen. Damals hatte Lohberg 7.566 Einwohner. Bei den 3.196 Katholiken (aber auch wohl bei den evangelischen Christen) zeigt sich eine bunte Mischung von Menschen unterschiedlicher Herkunft. Aus Lohberg selbst stammte damals keine einzige Familie, immerhin 35 kamen aus Dinslaken oder Hiesfeld, aber 698 Familien aus allen deutschen Ländern, vornehmlich aus dem Rheinland, aus Westfalen, Oberschlesien und Ostpreußen. Weitere 241 Familien waren ausländischer Herkunft, davon 68 aus der Tschechoslowakei, 94 aus Polen und 31 aus Jugoslawien. Zudem gab es Vertreter fast aller europäischen Länder.  Die Einwohner Lohberg waren schon von Beginn an, ein buntes Gemisch von Menschen unterschiedlicher Herkunft, aus verschiedenen Regionen Deutschlands und seiner Nachbarländer. Bis heute bestehen landsmannschaftliche Vereine, wie z.B. die der Südtiroler, der West- und Ostpreußen, Pommern und manche mehr, die Tradiionen ihrer Herkunftsländer pflegen. Vielleicht wäre das bei den türkischen Zuwanderern nicht anders, wären es nicht so viele geworden. Immerhin ist heute fast jeder 2. Lohberger türkischer Herkunft. Die türkischen Bürger integrierten sich nicht so, wie mancher es sich vorgestellt hatte. Im Gegenteil, sie bauten eine eigene Infrastruktur auf, die jetzt neben der deutschen besteht. Durch den muslimischen Glauben gab es auch keine natürliche Brücke zwischen den Kulturen über den gemeinsamen Glauben, wie es z.B. bei den ersten sog. „Gastarbeitern“, den Italienern, Spaniern oder Griechen der Fall war. Integration kann heute nur bedeuten, die türkischen Einrichtungen und Geschäfte als Bereicherung zu sehen und auch die türkischen Bürger zur Nutzung deutscher Einrichtungen stärker einzuladen. Dabei bilden die bestehenden Schulen und Kindergärten wichtige Brücken und Begegnungsräume. Trotz mancher Schwierigkeiten und Konflikte leben Deutsche und Türken in Lohberg gut nebeneinander und miteinander. Ich erlebe es täglich auf der Straße und bin zuversichtlich, daß in den nächsten Jahren hier „zusammenwächst, was zusammengehört“. Bis dahin braucht es Geduld und beharrliches Gespräch, um einander besser zu verstehen.

 

Lohberg - schönster Stadtteil Dinslakens?

 

In Lohberg gibt es etwas, was andere Wohngebiete der Stadt schmerzlich vermissen, nämlich eine klare urbane Struktur. So ist der Baßfeldshof, einst als Zentrum der umliegenden Wohngebiete geplant, ein fast toter Platz geblieben. Zur Zeit der Entstehung der Bergarbeitersiedlung orientierte man sich an den Idealen der Gartenstadtbewegung und plante den ganzen Stadtteil gleich mit Plätzen, Schulen, sozialen Einrichtungen und Kirchen. Für mich ist Lohberg der schönste Stadtteil Dinslakens und leider hat die heutige Städteplanung den Stand von damals noch nicht wieder erreicht. Man setzt eher auf die Mobilität der Bewohner und errichtet zunächst Wohngebiete und sucht dann noch verbleibende Lücken für die (soziale) Infrastruktur. Zumindest Alt-Lohberg hat bis heute fast dörflichen Charakter bewahrt. Alle Straßen gruppieren sich um den Johannesplatz, der wirkliches Zentrum des Stadtteils ist. Kirchen und die Moscheen stehen „mitten im Dorf“; für die Kinder gibt es reichlich Platz zum Spielen und für die Jugendlichen immerhin zwei OT's, einzigartig in ganz NRW. Leider sind eine Reihe von Institutionen und Geschäften aus Lohberg in den letzten Jahrzehnten abgewandert, weil man meinte, daß hier nicht viel zu verdienen ist. So nutzen derzeit vornehmlich türkische Geschäfte die Wirtschaftskraft der Lohbergerinnen und Lohberger.

 

Lohberger unter sich?

 

Weil Lohberg als Arbeitersiedlung des benachbarten Bergwerks auf der „grünen Wiese“ errichtet worden war ergab sich eine isolierten Lage. Die Lohberger blieben unter sich einmal, weil Dinslaken so weit weg war, andererseits, weil es in Lohberg alles gab, was man Arbeit, Freizeitmöglichkeiten und Geschäfte. Bis heute ist Lohberg in gewisser Weise verkehrstechnisch isoliert. Von Osten rücken zwar die Häuser des Wohngebietes Bruch direkt an die alte Bergarbeitersiedlung heran, mit dem Auto kommt man allerdings nicht nach Lohberg herein. Wer auf dem Brombeerweg wohnt, ist zu Fuß in wenigen Minuten auf dem Johannesplatz. Mit dem PKW ist man jedoch schneller in der Dinslakener Altstadt als in Lohberg .Weder von Norden noch von Osten her kommt man mit dem PKW nach Lohberg, von Süden her gibt es nur zwei unscheinbare Zufahrten von der Augustastraße her. Nur von der Hünxerstraße führen alle Wege nach Lohberg hinein. Eine Anbindung und Integration in die nördlichen Dinslakener Wohngebiete scheiterte bisher am Widerstand der Anwohner, die verständlicherweise verhindern wollten, daß aus ihrer ruhigen Wohnstraße eine belebtere Durchfahrtsstraße wurde.

 

„rotes“ Lohberg?

 

Den Stempel des „roten Stadtteils“ hat Lohberg bis heute. Auch er ist schon alt. Lassen auch die Wahlergebnisse der letzten Bundestagswahlen von 1998 (um 70 % der Stimmen für die SPD) vermuten, daß der Stadttel bis heute das „rote Lohberg“ ist, so stammt das Schlagwort schon aus den ersten Tagen der ab 1907 errichteten Arbeitersiedlung. In den ersten Jahrzehnten des gerade vergangenen Jahrhunderts gab es viele überzeugte Kommunisten hier. Pfarrer Schmidt von der ev. Kirchengemeinde schrieb damals, daß sich Lohberg in diesen Jahren zu einer „Hochburg des Kommunismus“ entwickele und bei der Reichstagswahl 1920 erhielt die KPD auch 65,9 % der abgegebenen Stimmen. Wohl in dieser Zeit wurzeln die Vorurteile des damals bürgerlichen Dinslaken gegenüber seinem späteren Stadtteil. Einen Lohberger wünschte man sich nicht als Schwiegersohn. Manches Vorurteil ist bis heute wirksam. So bekomme ich oft erzählt, daß sich Lohberger rechtfertigen müssen, warum sie überhaupt noch hier wohnen oder daß Häuser an der Grabenstr. als „am Stadtrand von Dinslaken nach Bruckhausen hin“ zur Vermietung angeboten werden. Nach dem Krieg gelang es der SPD die „rote“ Grundstimmung in Lohberg aufzugreifen und jahrzehntelang in entsprechende Stimmanteile umzumünzen. Doch trotz einer Neigung zur Sozialdemokratie erlebe ich eine deutliche Distanz zur Parteipolitik, die sich u.a. darin zeigt, daß verhältnismäßig wenige Lohberger politisch aktiv sind und vielleicht auch daran, daß bei der Kommunalwahl der Stimmanteil der Sozialdemokraten zusammen mit der Wahlbeteiligung plötzlich an die 50 Prozent - Marke sank. Vielleicht wird ja durch die Landtagswahl morgen das bunte Lohberg wieder ein Stück „roter“?

Peter Psiuk

Mein Name ist Peter Psiuk, geboren bin ich 1960 in Walsum. Da ich aber im Alter von 4 Jahren mit meinen Eltern und Geschwistern nach Lohberg gezogen bin, habe ich daran nur noch sehr schwache Erinnerungen. So lebe ich, mit einigen Unterbrechungen, immer noch in Lohberg, die Schachtgerüste vor der Haustüre, so wie ich es schon immer kenne. Nur dass früher noch 2 Schornsteine zur Schachtanlage gehörten. Mich hat es immer wieder hierhin gezogen. Da ich mittlerweile auch schon 24 Jahre auf der Zeche arbeite (z.Z. als kaufmännischer Angestellter) wohne ich mit meiner Familie, wie man so schön sagt, auf der Seilscheibe und fühle mich wohl dabei.  Ich hoffe, dass dieser Zustand auch noch einige Jahre anhalten wird, also das Bergwerk Lohberg/Osterfeld noch lange Kohle fördern darf.

 

Die Schachtanlage prägte natürlich schon immer das Bild von Lohberg. Zum einen das äußere Erscheinungsbild, zum anderen, weil viele Menschen ihr Brot dort verdient haben und immer noch verdienen. Die Lohberger Siedlung wurde gleichzeitig mit dem Bergwerk gebaut. So sind hier nun auch viele Menschen aus allen Teilen Deutschlands, Europas und auch Asien der Arbeit wegen zusammengekommen und Menschengruppen sind zusammengewachsen. Das war nicht immer einfach gewesen und ist es auch heute nicht, aber herausgekommen ist ein ”Buntes Lohberg”, mit vielen Kulturen und Facetten.

 

Lange haben wir gegen ein schlechtes Image gekämpft und müssen es auch heute noch tun. Ein Image und Probleme die von Dinslakener Seite hausgemacht waren, nach dem Motto - was interessiert mich der nördliche Stadtteil Dinslakens, wir sehen davon nichts und wohnen wollen wir dort auch  nicht. Die Lohberger empfinden das nicht unbedingt so. Es hat uns bestimmt nicht alles gepasst was hier geschehen ist und was jetzt noch schief läuft, aber die meisten Lohberger wohnen gerne hier, so manchen habe ich schon sagen hören, er fühle sich hier pudelwohl. Das hat einige Gründe, die auf den erste Blick vielleicht nicht so vordergründig erscheinen. Hier trifft man sich auf der Straße, grüßt und unterhält sich, fragt nicht vorher nach sozialen Ständen oder Nationalität, das ist ja eh alles bekannt, weil schließlich - man kennt sich ja. In Lohberg setzt man sich noch mit den Nachbarn draußen auf die Treppe vor der Haustüre, unterhält sich und fragt nach dem Wohlbefinden. Oder man setzt sich, wenn man hat in den Garten, trinkt ein Bier zusammen und grillt. Ein weiteres schönes Beispiel ist das bunte Treiben auf den beiden Wochenmärkten am Mittwoch und Samstag. Hier kann ich alles einkaufen was ich für das Wochenende brauche. Aus allen Dinslakenern Stadtteilen, auch Bruckhausen, kommen die Menschen an den Wochenenden gerne hierhin um sich mit frischen Lebensmitteln einzudecken. Auch hier ist der zwischenmenschliche Kontakt wichtig. Man nimmt sich gerne einige Minuten Zeit zum ”Plaudern”, selbst ein ehemaliger Betriebsführer unterhält sich mit dem Kauenwärter vom Bergwerk. Alles kein Problem.

 

Da einige Lohberger Bürgerinnen und Bürger der Meinung waren, es wird Zeit unsere Imagefrage selbst in die Hand zu nehmen, treffen wir uns schon seit über einem Jahr und überlegen was getan werden kann. Auch da zeigt sich aus wie vielen Facetten Lohberg zusammengesetzt ist. Es gibt viele Vereine und Institutionen, die für ihre Gruppen  natürlich das Beste erreichen wollen. Mittlerweile verstehen die meisten, dass das nur zusammen geht. Das Gefühl der Zusammengehörigkeit muss weiter gestärkt werden; und wird es auch.

 

Herausgekommen sind viele kleine und größere Aktionen und Veranstaltungen. Von den größeren Aktionen sei zu nennen, dass wir Lohberg gesäubert haben (das könnte ruhig  einmal im Jahr gemacht werden, obwohl Lohberg nicht schmutziger ist als andere Stadtteile auch.)

 

Oder zu erwähnen sei die Silvesterfeier auf dem Marktplatz zum Jahreswechsel 1999/2000. Aus der Not eine Tugend gemacht. Trotz einiger Unkenrufe und viel Vorarbeit war es eine buntgemischte, fröhliche, rundum gelungene Party. Das hat Spaß gemacht. Und im Moment laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren für unser mittlerweile 3. Stadtteilfest auf der Freizeitanlage Dorotheenstraße vom 26.-28. Mai, wozu natürlich alle aus der näheren und weiteren Entfernung herzlich eingeladen sind. Geboten wird ein buntgemischtes Programm für jung und alt. Auch die Stadtspitze aus dem bayrischen Dorf Lohberg hat ihr kommen zugesagt.

 

Was jetzt noch erleichternd und sehr positiv für uns Lohberger hinzugekommen ist, dass eine neue Führung an der Spitze unserer Stadt ist, sowie die Anerkennung Lohberg’s als Stadtteil mit besonderen Erneuerungsbedarf vom Land NRW. Dadurch ist die Unterstützung der Stadtverwaltung gesichert, was wir hier dankend annehmen, und die dringlichsten Probleme die uns auf den Nägeln brennen, können nun angepackt werden. Niemand behauptet in Lohberg gibt es keine Probleme. Hier wohnen auch keine besseren oder schlechteren Menschen als in den anderen Stadtteilen. Bei einigen Dingen wird es wohl noch Jahre dauern und viel Einsatz erfordern um die Versäumnisse der Vergangenheit zu korrigieren. Aber bei so vielen engagierten  Mitbürgern werden wir das wohl wieder zurechtrücken können.

 

Zum Schluss möchte ich noch anmerken, dass die meisten Lohberger sich in ihrem Stadtteil sicher fühlen. Das bestätigen auch Untersuchungen der Uni-Duisburg. Hier passiert unter Garantie nicht mehr als anderswo auch. Meinem Empfinden nach eher weniger.

 

Abschließend möchte ich noch mal sagen, dass ich im großen und ganzen gerne in Lohberg wohne. Hier wohnt meine Familie, hier sind meine Wurzeln. Und das ist gut so.

Günter Meier

Günter Meier, (damals) Referent für Stadtentwicklung im Dinslakener Rathaus, schildert, was in den kommenden Jahren im Rahmen des Programms für "Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf " geschehen soll.

 

Die Entwicklung der Stadt Dinslaken ist eng mit dem Stadtteil und Bergbaustandort Lohberg verknüpft. Die Schachtanlage ist noch heute der größte Arbeitgeber Dinslakens und stellt die größte Zahl von Ausbildungsplätzen zur Verfügung. Warum wird Lohberg mit Landesfördermittel unterstützt? Der altindustrielle Standort ist durch hohe Arbeitsplatzverluste gefährdet. Der hohe Anteil der ausländischen Bevölkerung führt zu Veränderungen der Infrastruktur. Im Stadtteil Lohberg lebt der höchste Anteil von Sozialhilfeempfängern und jugendlichen Arbeitslosen. Mit anderen Worten sind in diesem Stadtteil die sozialen Probleme größer als im übrigen Stadtgebiet. Deshalb ist ein Gegensteuern, ein Ausgleich dringend geboten.

 

Das Land NordrheinWesstfalen hat für Gebiete dieser Art ein Programm entwickelt, um Hilfesstellung zu leisten. Die Stadt Dinslaken ist seit November 1999 als einzige Stadt im Kreisgebiet in das Programm „Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf“ aufgenommen worden. Das Besonders an diesem Programm ist der „integrative Ansatz“, das heißt hier wird nicht ein Fachbereich, sondern die Gesamtheit des Stadtteils gefördert. Das Land übernimmt 80 Prozent der Kosten für die Förderprojekte, der städtische Anteil beträgt 20 Prozent. Beim Einsatz von Arbeistlosen in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen verringert sich der städtische Anteil an den Kosten auf zehn Prozent.

 

Im Rahmen eines Fünf-Jahres-Programms werden auf diese Weise Vorhaben gefördert, die der Gesamtheit der Bevölkerung im Stadtteil zu Gute kommen. Zum Beispiel wird im Zentrum Lohbergs ein Stadtteilbüro eingerichtet, ein Trägerverein für die Stadtteilarbeit ist gebildet, ein Stadtteilmanager als Ansprechpartner für die Lohberger wird eingestellt, eine öffentliche Begegnungsstätte soll geschaffen werden. Zudem werden Projekte für Arbeit und Ausbildung, zur Sprachförderung und Kriminalprävention initiiert. Die Schulhöfe sollen umgebaut werden, die Intergration ausländischer Kinder in Kindertagesstätten und Schulen wird gefördert, die Jugendarbeit erfährt Unterstützung und allgemeine Vorhaben zur Verbesserung des Wohnumfeldes werden ebenfalls gefördert.

 

Durch neue Organisationsformen wird dabei gewährleistet, dass Bürger, Institutionen, Gruppen, Politiker, Vereine, Verwaltung und Wirtschaft an dem Entwicklungsprozess beteiligt werden. Schon nach einem Jahr Vorarbeit lässt sich jetzt feststellen, dass die Zusammenarbeit mit der Stadtteilgruppe Lohberg und allen anderen Gruppierungen hervorragend ist und baldigen Erfolg für die Verwirklichung der oben genannten Projekte verspricht. Mit dem Lohberger Stadtteilfest wird offiziell der Startschuss für die Stadtteilarbeit gegeben. Die Aktivitäten sollen dazu beitragen, die Grenzen zu überwinden, das Gemeinwesen zu stärken und das Image des Stadtteils zu verbessern.

 

Yakup Tufan

“Im Schmelztiegel der Kulturen eine neue Heimat gefunden” - von Yakup Tufan

 

DINSLAKEN-LOHBERG. An einem Sommertag bin ich nach Lohberg gekommen. Es war vor etwa 29 Jahren, am 2. September 1971. Damals sind wir, eine Gruppe von jungen Männern im Alter von 14 bis 16 Jahren aus der Türkei hierher gekommen, um im Bergbau zu lernen, zu arbeiten und zu studieren. Unser Ziel war es, nach einigen Jahren wieder in die Türkei zurückzukehren. Als Berglehrling habe ich mit meinen Freunden angefangen, auf der Zeche Lohberg zu arbeiten. Es machte Spaß, wir waren fröhlich und zufrieden.

 

Aber, zwei Sorgen ließen uns nicht los. Zum einen die deutsche Sprache, die wir erlernen mussten, um das alltägliche Leben zu erleichtern. Zum anderen das Heimweh. Fern von der Heimat und von den Eltern, Brüdern, Freunden und Bekannten zu sein, war schwer. Viele Freunde haben im Bergbau gelernt, Schulen besucht oder studiert.

 

Ich habe mich für den Bergbau entschieden und bin seitdem auf dem Bergwerk Lohberg beschäftigt, zur Zeit als technischer Angestellter. Ich wohne in Lohberg und habe hier sogar ein Haus gekauft.

 

In der Zwischenzeit hat sich viel verändert in Lohberg. Vor allem die Straßen und die Wohnlage sind besser geworden. Lohberg wurde für mich zur zweiten Heimat. Was ich früher für meine Heimat fühlte, fühle ich heute gleichzeitig für Lohberg. Meine Bekannten, meine Freunde, meine Kollegen leben hier in Lohberg. Wenn ich hier spazieren gehe, sehe ich fast nur bekannte Gesichter und begrüße meine Bekannten warmherzig, so ähnlich wie in der Heimat vor 29 Jahren.

 

Die Bergmannshäuser stehen zum Teil unter Denkmalschutz und werden renoviert. Einige Lohberger haben sich ein Haus gekauft und leben gut hier. Nachbarschaft und Hilfsbereitschaft sind in Lohberg lebendig, Freude und Leid werden miteinander geteilt, so dass man sich niemals alleine und einsam fühlt.

 

Das Zusammenleben zwischen Türken und Deutschen, besser gesagt unter Lohbergern, wird immer besser. Gegenseitige Toleranz und Akzeptanz entstehen. Frisches Fleisch, Gemüse und Obst sowie andere Lebensmittel und zusätzlich auch türkische Lebensmittel kann man in den Geschäften in Lohberg einkaufen. Mittlerweile ist sogar ein Juweliergeschäft eröffnet. Der Wochenmarkt (Mittwoch und Samstag) ist fast so voll, so lebendig und ansprechend wie ein Basar in Istanbul. Lohberg ist eine Begegnungsstätte der Kulturen. Menschen aus verschiedenen Kulturen lernen sich kennen. Viele türkische Vereine beziehungsweise muslimische Gemeinden leisten wie auch katholische und evangelische Kirchengemeinden und andere Verbände eine gute Arbeit für die Bewohner Lohbergs.

 

Natürlich haben wir noch Probleme, zum Beispiel in den Bereichen Kindergarten, Schule und Jugend sowie das Problem der Arbeitslosigkeit und vor allem Sprach- und Verständigungsschwierigkeiten, die wir unbedingt lösen müssen. Aber darüber sind wir uns bewusst und suchen nach Lösungen. Wir brauchen dabei auch Hilfe von außen, von der Stadt Dinslaken und anderen Gremien. Ich bin deshalb seit Jahren bei Vereinen und Gemeinden tätig sowie Mitglied im Ausländerbeirat der Stadt Dinslaken, um Hilfe leisten zu können bei der Lösung der Probleme in Lohberg.

 

Lobenswert ist die Zusammenarbeit der Vereine, Verbände, Gemeinden und Gruppen in Lohberg. Ich bin darüber stolz. Diese ehrenamtliche Tätigkeit der Vereine, besonders in den Bereichen Kinder, Sprache, Bildung, Kultur und Sport müssen von der Stadt unterstützt werden.

 

Ich leite zur Zeit ein Projekt, das die ganze Familie umfasst, besonders aber Kinder und Jugendliche anspricht und in den Bereichen Schule und Sprache arbeitet. Das Projekt heißt "Akev Bildungszentrum". Wir haben große Hoffnung, die Probleme zu bearbeiten. Auch die Stadtteilgruppe Lohberg und die Lohberg AG bei der Stadt hat vieles vor. Wir Lohberger haben Kraft und Mut. Wir kommen gerne zusammen und diskutieren über unsere jetzige und zukünftige Lage und suchen Lösungen. Ich bin überzeugt: Lohberg hat eine Zukunft, unsere gemeinsame Zukunft.

 

Lohberg ist Orient und Okzident. In dem Stadtteil steckt Zukunft und Hoffnung auf ein besseres und friedliches Zusammenleben. Ich bin für ein buntes Lohberg, das uns gemeinsam gehört.